Das Durchgangsheim in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz)
Bereits 1951 existiert in Chemnitz ein Aufnahmeheim für Kinder von drei bis vierzehn Jahren. Im Jahr 1956 wird ein Durchgangsheim auf dem Gelände eines Jugendwohnheims in der Bernsdorfer Straße erwähnt. Es hat etwa 17 Plätze für männliche Jugendliche, die in der Gärtnerei und Landwirtschaft der Einrichtung arbeiten.
Im Jahr 1962 erscheint das Durchgangsheim Karl-Marx-Stadt dann mit der Anschrift Kaßbergstraße 32 und hat zunächst 45 Plätze. Es nimmt Minderjährige ab drei Jahren auf, bis über ihren weiteren Lebensweg entschieden wird. Bis 1965 reduziert sich die Anzahl der Plätze auf 25 im Jahr 1963. Im Jahr 1976 sind insgesamt 911 Aufnahmen verzeichnet, wobei die meisten Kinder nur wenige Tage in der Einrichtung bleiben. Von hier aus werden sie entweder in ihr Elternhaus (301), ihr vorheriges Heim (276) oder in ein anderes Heim (309) gebracht. 99 Kinder müssen auf einen Heimplatz warten, teilweise bis zu drei Monate oder länger. Das verstößt auch gegen damalige Bestimmungen.
Das Heim beschäftigt 14 pädagogische und neun technische Mitarbeitende. Schulunterricht erfolgt jahrgangsübergreifend und lediglich stundenweise, was zu Lernrückständen führt. Freizeitangebote sind kaum vorhanden.
In der DDR ist Kinderarbeit bereits seit 1949 verboten, wird aber in den Spezialheimen der Jugendhilfe dennoch praktiziert. Die Disziplinierung durch Arbeit spielt als Methode eine zentrale Rolle. Ein Betroffener, der im Alter von 13 Jahren in das Durchgangsheim Karl-Marx-Stadt eingewiesen wurde, erinnert sich an einen großen Werkraum. Dort musste er gemeinsam mit anderen Kindern etwa sechs Stunden täglich Kleinteile für die Motoren- und Automobilindustrie montieren. Diese Arbeit eignete sich besonders gut für Kinderhände. Es habe sich dabei um Normarbeit gehandelt. Die Norm durfte nicht unterschritten werden. Quelle
Wie alle Durchgangsheime verfügt auch das Durchgangsheim über eine Isolierzelle. Eine Betroffene, die 1969 dort war, erinnert sich an einen sehr kleinen, fensterlosen Raum, der nur mit einem Bett, einem Waschbecken und einem Eimer für die Notdurft ausgestattet war. Die Tür hatte demnach einen Spion. Das Essen wurde wie im Gefängnis durch eine Klappe gereicht.
Kurz vor der Auflösung der Durchgangsheime im Jahr 1986 verzeichnet die Einrichtung eine Aufnahme von jährlich etwa 800 Minderjährigen – nur Berlin (815) und Erfurt (750) hatten vergleichbare Zahlen. Nach der Schließung wird das Heim vermutlich als Außenstelle des Jugendwerkhofs Klaffenbach umgenutzt. Heute wird das Gebäude gewerblich genutzt.
Das Mädchenheim in Klaffenbach (1947-1948)
Im Jahr 1947 wird im Wasserschloss Klaffenbach (Neukirchen) bei Chemnitz ein Mädchenheim eröffnet. Das Heim dient zunächst dem Zweck, „die Mädel – vor allem während der Zeit der Sicherungskuren zur Verhütung der Verbreitung der Geschlechtskrankheiten – aus dem übrigen Volksleben auszuschließen und sie während dieser Zeit an ein regelmäßiges Arbeitsleben zu gewöhnen.“ Quelle
In der Nachkriegszeit sind Geschlechtskrankheiten und ihre Eindämmung ein Politikum. Die Verbreitung der Krankheiten wird vor allem alleinstehenden Frauen und weiblichen Personen ohne festen Wohn- und Arbeitsplatz zugeschrieben.
Im Mädchenheim Klaffenbach sind in dieser Zeit Mädchen und junge Frauen im Alter von 14 bis über 21 Jahren untergebracht (zehn über 18 Jahre und zehn unter 18 Jahre). Ihnen werden vor allem Attribute wie „ sittlich gefährdet“, oder „arbeitsscheu“ zugeschrieben.
In dieser Zeit hat das Heim den Charakter eines Arbeitshauses. Die Mädchen und Frauen verrichten körperlich schwere Arbeit in der Landwirtschaft und bewirtschaften die Gebäude der Anlage. Im Vordergrund steht ihre Arbeitsleistung. Für ihre Arbeit erhalten sie nicht einmal ein Taschengeld. Die Erträge fließen in den Erhalt der Einrichtung.
Die damals verantwortliche Erzieherin im Heim kritisiert die einseitige Ausrichtung und den Charakter der Einrichtung als Arbeitshaus. Sie setzt sich dafür ein, die körperlich schwere Arbeit um Schulunterricht und gemeinsame Freizeitangebote zu erweitern.
Für die Umsetzung ihrer Ansätze fehlt es im Heimalltag jedoch an allem – vor allem an Personal: Eine einzige Erzieherin muss sich werktags und an den Wochenenden rund um die Uhr um alle Abläufe im Heim kümmern. Angesichts eklatanter Mängel im Heim reicht die Erzieherin noch im selben Jahr die Kündigung ein. Keine zwei Jahre später erhält das Mädchenheim den Status eines Jugendwerkhofs. Quelle
Der Jugendwerkhof „Rosa Luxemburg“ in Klaffenbach (1949 bis 1990)
„Das war ein Wasserschloss mit erheblichen baulichen Mängeln, die Fenster waren vergittert, die Türen wurden verschlossen, es gab Arrestzellen. Es herrschte harter Drill, viel Gewalt, gab harte Strafen, alles wurde im Kollektiv gemacht. Ich machte hier den Teilfacharbeiter in einem Metallberuf bei einer Firma außerhalb. Ich bekam dafür eine kleine Summe auf dem Sparbuch bei der Entlassung.“
QuelleMit der Gründung der DDR im Jahr 1949 erhält das Mädchenheim im Wasserschloss Klaffenbach den Status eines landwirtschaftlichen Jugendwerkhofs. Zum Jugendwerkhof gehört eine etwa 100 Hektar große landwirtschaftliche Nutzfläche.
Im Jahr 1951 hat die Einrichtung 50 Plätze für Mädchen im Alter von 14 bis 18 Jahren. Sie arbeiten in der Haus- und Landwirtschaft des Jugendwerkhofs. Die tägliche körperliche Arbeit ist auch weiterhin schwer und beginnt früh morgens. Die Ausstattung der Einrichtung ist karg und die Verpflegung bleibt unterhalb der Norm. 1957 zählt Klaffenbach zu den Jugendwerkhöfen mit den meisten registrierten Fluchten.
Neben dem Heimleiter sind in der Einrichtung 1951 vier Erzieherinnen und ein Erzieher beschäftigt. Außerdem gibt Angestellte für die Hauswirtschaft sowie Mitarbeitende für den landwirtschaftlichen Betrieb. Die ärztliche Betreuung der Jugendlichen erfolgt außerhalb der Einrichtung.
Auf dem Gelände befindet sich eine eigene Schule. Schon bei der Einweisung weisen die Mädchen große Lernrückstände auf. Im Jugendwerkhof werden sie in erster Linie auf die Arbeit in der Landwirtschaft vorbereitet. Die Lehrkraft unterrichtet zwei Gruppen wöchentlich jeweils zwölf Stunden nach dem Lehrplan der landwirtschaftlichen Berufsschule. Wie in allen Jugendwerkhöfen der DDR können sich die Mädchen lediglich zur Teilfacharbeiterin qualifizieren. Dadurch sind die spätere Berufswahl und er weitere Werdegang erheblich eingeschränkt.
Im Jugendwerkhof sind die Jugendlichen in sieben Zimmergruppen eingeteilt. Ein straffer Tagesablauf und eine strenge Heimordnung, die größten Wert auf Ordnung, Sauberkeit und Pünktlichkeit legt, strukturieren den Alltag. Neben der täglichen Arbeit gibt es monatliche Reinigungsarbeiten, wie das Scheuern des Parkettbodens, das Reinigen der Fenster und das Scheuern des Wäschebodens. Außerdem fallen Näh- und Reparaturarbeiten an. Zusätzlich gibt es organisierte Freizeitangebote wie Chor, Laienspiel und Sport. Frei verfügbare Zeit ist nicht vorgesehen.
Das kulturelle Angebot ist am Parteiprogramm ausgerichtet. Gesellschaftliche Arbeit, Heimatverbundenheit und sportliche Leistung werden großgeschrieben. Es gibt eine Partei-Betriebsgruppe der SED, eine FDJ-Betriebsgruppe, eine DSF-Betriebsgruppe sowie eine Gewerkschaftsgruppe. Alle Gruppen nehmen an örtlichen Veranstaltungen teil. Hier werden die Mädchen aus dem Jugendwerkhof allerdings ausgegrenzt. Sie seien als „Erziehungsfälle” nicht mit „einwandfreien Jugendlichen” vergleichbar, was sich auch in der FDJ-Arbeit zeige.
Der Jugendwerkhof Klaffenbach erweitert im Laufe der Jahre beständig seine Kapazitäten. 1956 gibt es 66 Plätze, 1978 bereits 120 – nach wie vor ausschließlich für Mädchen.
Im Zuge der Technisierung der Landwirtschaft werden die Mädchen allerdings weniger in der Feldarbeit und zunehmend als Arbeitskräfte in umliegenden Betrieben gebraucht. Sie arbeiten in der Geflügelzucht, der Speisefettherstellung, Elektromontage oder Zerspanung in Neukirchen, Karl-Marx-Stadt oder Brand-Erbisdorf.
Die Beschulung findet eher behelfsmäßig im Jugendwerkhof statt. Ausgebildetes Lehrpersonal ist schwer zu finden. Stellen bleiben unbesetzt. Die Spezialheime haben keinen guten Ruf. Die abgeschiedene Lage und die langen Schichten machen die Heime als Arbeitsort unattraktiv.
In einer Eingabe aus dem Jahr 1973 wird von Klagen einiger Mädchen über die Zustände im Jugendwerkhof berichtet. Sie beschweren sich über Schläge und körperliche Misshandlungen durch das Erzieherpersonal, Gewalt untereinander sowie Arreststrafen in einer kalten Zelle. Der Ausgang der Beschwerde ist nicht bekannt. Quelle
Vor dem Mauerfall werden deutlich weniger Jugendliche in den Jugendwerkhof Klaffenbach eingewiesen Im März 1990 wird der Jugendwerkhof schließlich aufgelöst.
Zum Zeitpunkt der Schließung des Jugendwerkhofes befindet sich das Schloss in einem desolaten Bauzustand. Private Schmalfilmaufnahmen aus dem Filmarchiv Chemnitz von 1994 vermitteln einen Eindruck davon. Es wird aufwändig saniert und ist seit 1995 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Vom Dienstag, den 21. Oktober, bis Montag, den 24. November 2025, ist die Wanderausstellung BLACKBOX HEIMERZIEHUNG der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof (GJWH) Torgau in Kooperation mit dem Beruflichen Schulzentrum für Gesundheit und Sozialwesen in Chemnitz zu sehen.
Die Ausstellung setzt einen wichtigen Impuls für die lokale Auseinandersetzung mit der repressiven Heimerziehung in der DDR.
Zeitraum: 21. Oktober bis 24. November 2025
Öffnungszeiten: Mo-Fr: 09:00 bis 16:00 Uhr
Sonderöffnungen an Samstagen: 08:11 und 22.11.2025, jeweils 09:00 bis 15:00 Uhr.
Ausstellungsort: Berufliches Schulzentrum für Gesundheit und Sozialwesen, An der Markthalle 10, 09111 Chemnitz
Der Eintritt ist frei.
Das Durchgangsheim in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz)
Bereits 1951 existiert in Chemnitz ein Aufnahmeheim für Kinder von drei bis vierzehn Jahren. Im Jahr 1956 wird ein Durchgangsheim auf dem Gelände eines Jugendwohnheims in der Bernsdorfer Straße erwähnt. Es hat etwa 17 Plätze für männliche Jugendliche, die in der Gärtnerei und Landwirtschaft der Einrichtung arbeiten.
Im Jahr 1962 erscheint das Durchgangsheim Karl-Marx-Stadt dann mit der Anschrift Kaßbergstraße 32 und hat zunächst 45 Plätze. Es nimmt Minderjährige ab drei Jahren auf, bis über ihren weiteren Lebensweg entschieden wird. Bis 1965 reduziert sich die Anzahl der Plätze auf 25 im Jahr 1963. Im Jahr 1976 sind insgesamt 911 Aufnahmen verzeichnet, wobei die meisten Kinder nur wenige Tage in der Einrichtung bleiben. Von hier aus werden sie entweder in ihr Elternhaus (301), ihr vorheriges Heim (276) oder in ein anderes Heim (309) gebracht. 99 Kinder müssen auf einen Heimplatz warten, teilweise bis zu drei Monate oder länger. Das verstößt auch gegen damalige Bestimmungen.
Das Heim beschäftigt 14 pädagogische und neun technische Mitarbeitende. Schulunterricht erfolgt jahrgangsübergreifend und lediglich stundenweise, was zu Lernrückständen führt. Freizeitangebote sind kaum vorhanden.
In der DDR ist Kinderarbeit bereits seit 1949 verboten, wird aber in den Spezialheimen der Jugendhilfe dennoch praktiziert. Die Disziplinierung durch Arbeit spielt als Methode eine zentrale Rolle. Ein Betroffener, der im Alter von 13 Jahren in das Durchgangsheim Karl-Marx-Stadt eingewiesen wurde, erinnert sich an einen großen Werkraum. Dort musste er gemeinsam mit anderen Kindern etwa sechs Stunden täglich Kleinteile für die Motoren- und Automobilindustrie montieren. Diese Arbeit eignete sich besonders gut für Kinderhände. Es habe sich dabei um Normarbeit gehandelt. Die Norm durfte nicht unterschritten werden. Quelle
Wie alle Durchgangsheime verfügt auch das Durchgangsheim über eine Isolierzelle. Eine Betroffene, die 1969 dort war, erinnert sich an einen sehr kleinen, fensterlosen Raum, der nur mit einem Bett, einem Waschbecken und einem Eimer für die Notdurft ausgestattet war. Die Tür hatte demnach einen Spion. Das Essen wurde wie im Gefängnis durch eine Klappe gereicht.
Kurz vor der Auflösung der Durchgangsheime im Jahr 1986 verzeichnet die Einrichtung eine Aufnahme von jährlich etwa 800 Minderjährigen – nur Berlin (815) und Erfurt (750) hatten vergleichbare Zahlen. Nach der Schließung wird das Heim vermutlich als Außenstelle des Jugendwerkhofs Klaffenbach umgenutzt. Heute wird das Gebäude gewerblich genutzt.
Das Mädchenheim in Klaffenbach (1947-1948)
Im Jahr 1947 wird im Wasserschloss Klaffenbach (Neukirchen) bei Chemnitz ein Mädchenheim eröffnet. Das Heim dient zunächst dem Zweck, „die Mädel – vor allem während der Zeit der Sicherungskuren zur Verhütung der Verbreitung der Geschlechtskrankheiten – aus dem übrigen Volksleben auszuschließen und sie während dieser Zeit an ein regelmäßiges Arbeitsleben zu gewöhnen.“ [Quelle] Stadtarchiv Chemnitz: A 0315 RdSt. bis 1990 Sign. 7940, S.5. In der Nachkriegszeit sind Geschlechtskrankheiten und ihre Eindämmung ein Politikum. Die Verbreitung der Krankheiten wird vor allem alleinstehenden Frauen und weiblichen Personen ohne festen Wohn- und Arbeitsplatz zugeschrieben. Im Mädchenheim Klaffenbach sind in dieser Zeit Mädchen und junge Frauen im Alter von 14 bis über 21 Jahren untergebracht (zehn über 18 Jahre und zehn unter 18 Jahre). Ihnen werden vor allem Attribute wie „ sittlich gefährdet“, oder „arbeitsscheu“ zugeschrieben. In dieser Zeit hat das Heim den Charakter eines Arbeitshauses. Die Mädchen und Frauen verrichten körperlich schwere Arbeit in der Landwirtschaft und bewirtschaften die Gebäude der Anlage. Im Vordergrund steht ihre Arbeitsleistung. Für ihre Arbeit erhalten sie nicht einmal ein Taschengeld. Die Erträge fließen in den Erhalt der Einrichtung. Die damals verantwortliche Erzieherin im Heim kritisiert die einseitige Ausrichtung und den Charakter der Einrichtung als Arbeitshaus. Sie setzt sich dafür ein, die körperlich schwere Arbeit um Schulunterricht und gemeinsame Freizeitangebote zu erweitern. Für die Umsetzung ihrer Ansätze fehlt es im Heimalltag jedoch an allem – vor allem an Personal: Eine einzige Erzieherin muss sich werktags und an den Wochenenden rund um die Uhr um alle Abläufe im Heim kümmern. Angesichts eklatanter Mängel im Heim reicht die Erzieherin noch im selben Jahr die Kündigung ein. Keine zwei Jahre später erhält das Mädchenheim den Status eines Jugendwerkhofs. [Quelle] Stadtarchiv Chemnitz: A 0315 RdSt. bis 1990 Sign. 7940.Der Jugendwerkhof „Rosa Luxemburg“ in Klaffenbach (1949 bis 1990)
„Das war ein Wasserschloss mit erheblichen baulichen Mängeln, die Fenster waren vergittert, die Türen wurden verschlossen, es gab Arrestzellen. Es herrschte harter Drill, viel Gewalt, gab harte Strafen, alles wurde im Kollektiv gemacht. Ich machte hier den Teilfacharbeiter in einem Metallberuf bei einer Firma außerhalb. Ich bekam dafür eine kleine Summe auf dem Sparbuch bei der Entlassung.“
[Quelle] O-Ton Betroffene, Jugendwerkhof Klaffenbach von 1981-1983. Zitiert nach: Sack, Martin; Ebbinghaus, Ruth: Was hilft ehemaligen Heimkindern der DDR bei der Bewältigung ihrer komplexen Traumatisierung? In: Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR. Expertisen. Hrsg.: Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer, Berlin März 2012, S. 334.Mit der Gründung der DDR im Jahr 1949 erhält das vormalige Mädchenheim im Wasserschloss Klaffenbach den Status eines landwirtschaftlichen Jugendwerkhofs. Zum Jugendwerkhof gehört eine etwa 100 Hektar große landwirtschaftliche Nutzfläche.
Im Jahr 1951 hat die Einrichtung 50 Plätze für Mädchen im Alter von 14 bis 18 Jahren. Sie arbeiten in der Haus- und Landwirtschaft des Jugendwerkhofs. Die tägliche körperliche Arbeit ist schwer und beginnt früh morgens. Die Ausstattung der Einrichtung ist karg und die Verpflegung bleibt unterhalb der Norm. 1957 zählt Klaffenbach zu den Jugendwerkhöfen mit den meisten registrierten Fluchten.
Neben dem Heimleiter sind in der Einrichtung 1951 vier Erzieherinnen und ein Erzieher beschäftigt. Außerdem gibt Angestellte für die Hauswirtschaft sowie Mitarbeitende für den landwirtschaftlichen Betrieb. Die ärztliche Betreuung der Jugendlichen erfolgt außerhalb der Einrichtung.
Auf dem Gelände befindet sich eine eigene Schule. Schon bei der Einweisung weisen die Mädchen große Lernrückstände auf. Im Jugendwerkhof werden sie in erster Linie auf die Arbeit in der Landwirtschaft vorbereitet. Die Lehrkraft unterrichtet zwei Gruppen wöchentlich jeweils zwölf Stunden nach dem Lehrplan der landwirtschaftlichen Berufsschule. Wie in allen Jugendwerkhöfen der DDR können sich die Mädchen lediglich zur Teilfacharbeiterin qualifizieren. Dadurch sind die spätere Berufswahl und der weitere Werdegang erheblich eingeschränkt.
Im Jugendwerkhof sind die Jugendlichen in sieben Zimmergruppen eingeteilt. Ein straffer Tagesablauf und eine strenge Heimordnung, die größten Wert auf Ordnung, Sauberkeit und Pünktlichkeit legt, strukturieren den Alltag. Neben der täglichen Arbeit gibt es monatliche Reinigungsarbeiten, wie das Scheuern des Parkettbodens, das Reinigen der Fenster und das Scheuern des Wäschebodens. Außerdem fallen Näh- und Reparaturarbeiten an. Zusätzlich gibt es organisierte Freizeitangebote wie Chor, Laienspiel und Sport. Frei verfügbare Zeit ist nicht vorgesehen.
Das kulturelle Angebot ist am Parteiprogramm ausgerichtet. Gesellschaftliche Arbeit, Heimatverbundenheit und sportliche Leistung werden großgeschrieben. Es gibt eine Partei-Betriebsgruppe der SED, eine FDJ-Betriebsgruppe, eine DSF-Betriebsgruppe sowie eine Gewerkschaftsgruppe. Alle Gruppen nehmen an örtlichen Veranstaltungen teil. Hier werden die Mädchen aus dem Jugendwerkhof allerdings ausgegrenzt. Sie seien als „Erziehungsfälle” nicht mit „einwandfreien Jugendlichen” vergleichbar, was sich auch in der FDJ-Arbeit zeige.
Der Jugendwerkhof Klaffenbach erweitert im Laufe der Jahre beständig seine Kapazitäten. 1956 gibt es 66 Plätze, 1978 bereits 120 – nach wie vor ausschließlich für Mädchen.
Im Zuge der Technisierung der Landwirtschaft werden die Mädchen allerdings weniger in der Feldarbeit und zunehmend als Arbeitskräfte in umliegenden Betrieben gebraucht. Sie arbeiten in der Geflügelzucht, der Speisefettherstellung, Elektromontage oder Zerspanung in Neukirchen, Karl-Marx-Stadt oder Brand-Erbisdorf.
Die Beschulung findet eher behelfsmäßig im Jugendwerkhof statt. Ausgebildetes Lehrpersonal ist schwer zu finden. Stellen bleiben unbesetzt. Die Spezialheime haben keinen guten Ruf. Die abgeschiedene Lage und die langen Schichten machen die Heime als Arbeitsort unattraktiv.
In einer Eingabe aus dem Jahr 1973 wird von Klagen einiger Mädchen über die Zustände im Jugendwerkhof berichtet. Sie beschweren sich über Schläge und körperliche Misshandlungen durch das Erzieherpersonal, Gewalt untereinander sowie Arreststrafen in einer kalten Zelle. Der Ausgang der Beschwerde ist nicht bekannt. [Quelle] Sächsisches Staatsarchiv – Staatsarchiv Chemnitz: StA-C, 30413 Bezirkstag/RdB Karl-Marx-Stadt: Schreiben an Bezirk Karl-Marx-Stadt, Abteilung Volksbildung, Referat Jugendhilfe, 6.4.1973.
Vor dem Mauerfall werden deutlich weniger Jugendliche in den Jugendwerkhof Klaffenbach eingewiesen Im März 1990 wird der Jugendwerkhof schließlich aufgelöst.
Zum Zeitpunkt der Schließung des Jugendwerkhofes befindet sich das Schloss in einem desolaten Bauzustand. Private Schmalfilmaufnahmen aus dem Filmarchiv Chemnitz von 1994 vermitteln einen Eindruck davon. Es wird aufwändig saniert und ist seit 1995 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
„Die Zelle in Bramow, das war ′n Doppelstockbett aus Eisen. Unten war ′ne Holzpritsche drinne. Und an der Wand waren angeschraubt ein Tisch und zwei Hocker. Und dann eben ′ne richtige Stahltür. Und die Steine nach draußen hin, das waren richtige Glasbausteine, also, dass du nicht mehr rausgucken konntest.
Wenn da mal ein paar Ausreißer waren, kamen die zwischendurch mit rein. Dann haben wir da manchmal zu sechst dringesessen, in der Zweimannzelle. Dann mussten wir uns mit dem Schlafen abwechseln.“O-Ton eines Betroffenen über den Einweisungsarrest im Durchgangsheim Rostock, Interview 2010.
Das Durchgangsheim wird um 1951 in der Carl-Hopp-Straße 4 in Rostock-Bramow neben einem Hilfsschulheim eröffnet. Obwohl es nur acht Plätze hat, ist es in den 1960er Jahren zeitweise mit 35 Mädchen und Jungen belegt. Jährlich durchlaufen bis zu 190 Minderjährige das Heim.
Die Schlafräume im Heim bleiben nachts verschlossen. Einen Notruf gibt es nicht. Auch tagsüber ist stundenweise kein Personal vor Ort, sodass die Kinder und Jugendlichen in dieser Zeit ohne Aufsicht eingeschlossen sind. Prügelstrafen und andere ehrverletzende Strafen sind für die 1960er Jahre belegt.
Ende der 1980er Jahre wird das Durchgangsheim wahrscheinlich nach Rostock-Schmarl verlegt. Das Gebäude in der Carl-Hopp-Straße existiert heute nicht mehr.
Der Jugendwerkhof „Neues Leben“ (später: Willy Schröder) wird am 1. März 1950 im ehemaligen Kloster Rühn eingerichtet.
In den 1960er Jahren hat der Jugendwerkhof rund 130 Plätze mit Außenstellen in Eickelberg, Bandow, Tarnow und Malchow.
Im Mai 1962 wird der Einrichtung zudem ein „Durchgangsheim“ angeschlossen.
Missstände und Machtmissbrauch sind Teil des Alltags im Jugendwerkhof. Schwerstarbeit und fehlende Ausbildungsnachweise trotz mehrjähriger Aufenthalte sind belegt. Taschengeld wird unterschlagen. 1960 stehen drei Erzieher wegen Körperverletzung und sexueller Übergriffe vor Gericht.
Der Jugendwerkhof wird 1990 aufgelöst. Heute gehört der Gebäudekomplex dem Klosterverein Rühn e.V.
BLACKBOX HEIMERZIEHUNG in Gera
Nach dem Kinder- und Jugendhilfetag in Leipzig ist die Wanderausstellung BLACKBOX HEIMERZIEHUNG ab dem 19. Mai wieder in Gera zu sehen. Bis zum 24. Juni 2025 steht der Ausstellungscontainer vor dem Theater Altenburg Gera.
🕙 Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 10–18 Uhr
Samstag: 10–17 Uhr
Eintritt frei
Film & Podium am 4. Juni: „Verlorene Zeit“
Wir laden herzlich ein zur begleitenden Veranstaltung:
📅 Dienstag, 4. Juni 2025, 18 Uhr
📍 Chorsaal des Theaters Altenburg Gera
Zum Auftakt: ein 15-minütiger Film über die repressiven Bedingungen der DDR-Heimerziehung und die persönlichen Erfahrungen einer Frau, die als Jugendliche im Durchgangsheim Schmiedefeld Isolation und Gewalt erlebte.
Anschließend: Gespräch mit Expert:innen, die seit Jahren mit Betroffenen arbeiten. Thema ist die Aufarbeitung von DDR-Heimerziehung in Thüringen.
Die Veranstaltung richtet sich ausdrücklich auch an Betroffene, die wir besonders herzlich willkommen heißen.
Das Jugendwohn- und Durchgangsheim „Ernst Thälmann“ in Gera
„Als ich 1978 ins kleine Durchgangsheim in Gera kam, war auch dies geschlossen, ein sehr kleines Gebäude. Alle Kinder waren dort in zwei Räumen untergebracht und standen unter ständiger Beobachtung durch Sehschlitze in der Tür. Es gab kein Tageslicht, nur Glasbausteine und da waren auch zwei Arrestzellen.“
1949 wird das Durchgangsheim Gera in einem alten Patrizierhaus in der Greizer Straße 23 eröffnet. Zuvor war das Haus ein Waisenhaus.
In den 1950er Jahren werden aufgegriffene Kinder und Jugendliche aus den Kreisen Jena, Stadtroda, Rudolstadt und Eisenberg in das Durchgangsheim gebracht, wenn die Behörden eine Gefährdung vermuten. In einigen Dokumenten wird das Heim als „Auffanglager Greizerstraße“ oder „Durchgangslager Gera“ bezeichnet.
Der Zustand der Einrichtung ist zu dieser Zeit desolat: defekte Türen und Fenster, unhygienische Waschräume, Überbelegung; all diese Mängel sollen behoben werden. Trotz der hohen Auslastung ist in einem Teil des Gebäudes ein Lehrlingswohnheim geplant.
1953 investiert der Bezirk im Rahmen einer „Schandfleckaktion“ 20.000 DM in die Sanierung. Im Heim wird ein neuer „Kulturraum“ geschaffen. Zusätzliche Möbel, Gardinen und Tischdecken werden angeschafft, um die Räume wohnlicher zu gestalten. Einige Arbeiten übernehmen die Jugendwerkhöfe (JWH) im Bezirk: Jugendliche aus dem JWH Bad Köstritz führen Maurerarbeiten aus, Bad Klosterlausnitz übernimmt Zimmererarbeiten, Hummelshain liefert neue Möbel.
Die Wohnsituation bleibt trotz aller Bemühungen problematisch. Deshalb wird das Heim 1961 auf Drängen der Leitung verlegt. Das Jugendwohn- und Durchgangsheim „Ernst-Thälmann“ zieht in das Gebäude einer ehemaligen Fabrikantenvilla in der Wilhelm-Pieck-Straße 138 um (heute Berliner Straße).
Die Villa wird zweigeteilt genutzt: Im Haupthaus werden „Waisen und pädagogisch vernachlässigte“ Jugendliche betreut; im Seitenflügel und der Remise befindet sich vermutlich das Durchgangsheim – die Fenster sind vergittert, die Räumlichkeiten beengt. Die Abläufe in beiden Einrichtungen werden voneinander getrennt.
Es gibt keine durchgängigen Belegungszahlen für die Einrichtung, aber das Durchgangsheim hatte Mitte der 1960er Jahre etwa 30 Plätze. Im Jugendwohnheim lebten ständig über 70 Jugendliche. Für die 1970er Jahre werden insgesamt 112 Plätze angegeben, 80 davon für das Jugendwohnheim und 32 für das Durchgangsheim. Jährlich durchlaufen 700 bis 800 Jugendliche die Einrichtung.
Auch nach dem Mauerfall wird die Villa als Heimeinrichtung genutzt. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten im Jahr 1998 leben nur noch 28 Jugendliche in der Einrichtung.
Träger des heutigen Jugendwohnheims in der Villa Berliner Straße 138 ist der Internationale Bund (IB).
BLACKBOX HEIMERZIEHUNG in Weimar
Vom 15. Oktober bis 11. November 2024 ist die BLACKBOX HEIMERZIEHUNG auf dem Stéphane-Hessel-Platz in Weimar zu sehen
Öffnungszeiten:
Ausstellungsort:
Stéphane-Hessel-Platz, 99423 Weimar
Geschichte
Im Raum Thüringen gibt es vor 1961 insgesamt sechs Jugendwerkhöfe, nach dem Mauerbau steigt ihre Zahl auf neun an. 1989 gibt es in der DDR 32 Jugendwerkhöfe, davon sieben im Raum Thüringen. Hinzu kommen über 100 Normalheime und Spezialkinderheime sowie mindestens drei Durchgangsheime in den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl. Auch in Kraftsdorf und in Eisenach werden Durchgangsheime vermutet. Die Aufarbeitung steht vielerorts noch am Anfang.
DURCHGANGSHEIM
Erfurt
1963 wird in Erfurt in der Winzergasse 21 ein Durchgangsheim eingerichtet. In den Durchgangsheimen der DDR werden Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren untergebracht, bis über ihren weiteren Lebensweg entschieden wird. Darunter befinden sich Minderjährige, die von zu Hause weggelaufen oder aus einem Heim geflohen sind, die aufgrund einer Gefährdungssituation nicht länger im Elternhaus verbleiben können oder für die ein Heimaufenthalt bereits beschlossen wurde, aber noch kein Heimplatz zur Verfügung steht.
Unhaltbare Zustände im Durchgangsheim Erfurt
1973/1974 findet im Bezirk Erfurt eine großangelegte Kontrolle aller 32 Kinder- und Jugendheime durch die Arbeiter- und Bauerninspektion statt, da es sich „um einen Abschnitt unserer gesellschaftlichen Entwicklung handelt, der zurückgeblieben ist und in politischer, ideologischer, sozialer, pädagogischer, kultureller und materieller Hinsicht einen Nachholebedarf aufweist.“
Dabei werden auch teils gravierende Mängel im Durchgangsheim Erfurt erfasst, wie Zitate aus dem Kontrollbericht belegen:
„Bei dem Heim handelt es sich um eine geschlossene Einrichtung mit vergitterten Fenstern und ständig verschlossenen Haus- und Zimmertüren.“
„Die Isolierzimmer haben als Lichtquelle mit Glasziegeln vermauerte Fenster, so daß eine direkte Belüftung nicht möglich ist.“
„Bei Ausbruch eines Brandes gibt es keine Möglichkeit, die Kinder schnellstens und gefahrlos aus der Einrichtung zu bringen.“
Weitere Passagen des Berichts charakterisieren unhaltbare Zustände, zum Beispiel die Aufenthaltsdauer von mehreren Monaten und der dadurch bedingte völlig unzureichende Schulunterricht. Mangelhafte gesundheitliche Versorgung, schlechte Ernährung aufgrund unqualifizierter Küchenkräfte und der achtlose Umgang mit dem Eigentum der Eingewiesenen sind weitere Kritikpunkte:
„in mind. 75 Fällen [ist] die Abgabe und in weiteren 20 Fällen die Rückgabe persönlicher Gegenstände und Mittel der Heimkinder nicht quittiert worden. Dabei handelt es sich u.a. um 2 Sparbücher, Bargeld, 3 Radios, 8 Uhren, Schmuck u.a.“
„Am 29.01.1973 kam es zu einem Massenausbruch von 15 Jugendlichen. Auf Grund dieses Vorkommnisses wurden durch die Volkspolizei entsprechende Sicherungsmaßnahmen vorgeschlagen und angeregt.“
Die Erziehungsmethoden und die geschlossene Unterbringung im Durchgangsheim Erfurt wird von Arbeiter- und Bauerinspektion hingegen nicht in Frage gestellt.
Quellen
BLACKBOX HEIMERZIEHUNG in Berlin
Vom 10. September bis 15. Oktober 2024 war die BLACKBOX HEIMERZIEHUNG auf dem Gelände des Informations- und Begegnungszentrums Königsheide in Berlin zu sehen.
Öffnungszeiten:
Dienstag: 11 bis 15 Uhr
Mittwoch: 10 bis 17 Uhr
Donnerstag: 10 bis 19 Uhr
sowie am Samstag den 21.09. und 5.10. von 10 bis 18 Uhr.
Ausstellungsort:
IBZ – Informations- und Begegnungszentrum Königsheide, Südostallee 146 | Parkplatz, 12487 Berlin
Geschichte
Kinderheim „A.S. Makarenko“ Berlin-Johannisthal
Das größte Kinderheim der DDR wird 1953 in der Königsheide eröffnet und ist von Beginn an ein Prestigeobjekt des sozialistischen Staates. Das Heim bietet Platz für bis zu 600 Kinder und Jugendliche. Eine eigene Säuglings- und Kleinkinderstation ermöglicht die Aufnahme aller Altersgruppen. Das Areal wird bis zum Ende der 1960er Jahre sukzessive erweitert: Neben einer zweiten Schule kommen u.a. eine Freilichtbühne, ein Schwimmbecken und ein heimeigener Zoo hinzu.
In Größe und Ausstattung ist die seit 1968 nach dem Sowjetpädagogen A. S. Makarenko benannte Vorzeigeeinrichtung alles andere als repräsentativ für die landesweite Realität in Heimen der DDR. Trotzdem ist auch der pädagogische Alltag in der Königsheide geprägt vom üblichen Leitgedanken sozialistischer Kollektiverziehung.
Bis zu seiner Schließung im Jahr 1998 werden mehr als 16.600 Minderjährige in dieser Einrichtung untergebracht. Seit 2008 engagiert sich der Verein „Königsheider Eichhörnchen“ für die Aufarbeitung der Geschichte des größten DDR-Kinderheimes. Das Informations- und Begegnungszentrum (IBZ) Königsheide bietet seit 2018 eine Möglichkeit zur Erinnerung und Auseinandersetzung am historischen Ort.
„A.S. Makarenko“ Children’s Home Berlin-Johannisthal
The largest children’s home in the GDR was opened in Königsheide in 1953 and was a prestige project of the socialist state from the outset. The home had a capacity of 600 children and juveniles. Its own ward for infants and small children enabled it to accept all age groups. The grounds were gradually extended until the late 1960s: in addition to a second school, they included an open-air stage, a swimming pool, and the home’s own zoo.
Named after the Soviet pedagogue A. S. Makarenko in 1968, the facility’s size and equipment were by no means typical of the reality in homes throughout the GDR. Nevertheless, daily educational life in Königsheide was defined by the typical guiding principles of socialist collective education.
By the time it closed in 1998, the facility had accommodated over 16,600 minors. Since 2008, the association “Königsheider Eichhörnchen” has been researching the history of the GDR’s largest children’s home. Since 2013, the information and meeting centre (IBZ) Königsheide has provided a place to remember and engage with the historical location.
BLACKBOX HEIMERZIEHUNG in Marienborn
- Zeitraum: 18.06.–08.09.2024
- Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 17 Uhr
- Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn, Autobahn 2, 39365 Harbke
Der Eintritt ist frei.
In Kooperation mit der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn.
Geschichte: Jugendwerkhof Burg
Der Jugendwerkhof „August-Bebel“ in Burg in Sachsen-Anhalt wurde 1949 in einer ehemaligen Landeserziehungsanstalt auf dem Gut Lüben eingerichtet. Mit 360 Insassen, etwa ein Drittel Jungen und zwei Drittel Mädchen, entwickelte er sich zum größten Jugendwerkhof der DDR – die Einrichtung war ein Massenbetrieb. Erst Mitte der 1980er Jahre wurde sie verkleinert.
Auffällig an dem Jugendwerkhof ist die große Zahl der Jugendlichen, die einen Fluchtversuch unternahmen. So versuchten 211 Jugendliche im Jahre 1962 zu entkommen. Ende der 1970er Jahre dauerte der Aufenthalt in dem Heim für die meisten Jugendlichen bis zu einem Jahr. Es gab aber auch etliche Jugendliche, die drei und mehr Jahre in dem Jugendwerkhof verbringen mussten – manche bis zu sieben Jahren und länger.
Viele Jugendliche arbeiteten als billige, dringend benötigte Arbeitskräfte in den Betrieben der Umgebung, beispielsweise in dem VEB Knäcke-Werke Burg. Wie überall in den Jugendwerkhöfen erhielten die Jugendlichen nur Teilausbildungen, die Jungen beispielsweise in der Schuhfabrik „Roter Stern“ in Burg, die Mädchen zum Beispiel im Werk Burg des VEB Volltuchwerke Crimmitschau. Mit diesen Teilausbildungen waren die Jugendlichen kaum für den Arbeitsmarkt qualifiziert. Ein interner Bericht kritisierte 1981 zudem die schlechte Qualität der Berufsausbildung in zwei Betrieben, weil die Jugendlichen vor allem zu Hilfsarbeiten eingesetzt würden.
BLACKBOX HEIMERZIEHUNG in Erfurt
Vom 30. April bis 13. Juni 2024 war die BLACKBOX HEIMERZIEHUNG in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße zu sehen.
Öffnungszeiten:
Dienstag: 12 bis 20 Uhr
Mittwoch: 10 bis 18 Uhr
Donnerstag: 12 bis 20 Uhr
Freitag: 12 bis 20 Uhr
Samstag, Sonntag und an Feiertagen: 10 bis 18 Uhr
Ausstellungsort: Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, Andreasstraße 37a, 99084 Erfurt
Geschichte
DURCHGANGSHEIM
Erfurt
1963 wird in Erfurt in der Winzergasse 21 ein Durchgangsheim eingerichtet. In den Durchgangsheimen der DDR werden Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren untergebracht, bis über ihren weiteren Lebensweg entschieden wird. Darunter befinden sich Minderjährige, die von zu Hause weggelaufen oder aus einem Heim geflohen sind, die aufgrund einer Gefährdungssituation nicht länger im Elternhaus verbleiben können oder für die ein Heimaufenthalt bereits beschlossen wurde, aber noch kein Heimplatz zur Verfügung steht.
Unhaltbare Zustände im Durchgangsheim Erfurt
1973/1974 findet im Bezirk Erfurt eine großangelegte Kontrolle aller 32 Kinder- und Jugendheime durch die Arbeiter- und Bauerninspektion statt, da es sich „um einen Abschnitt unserer gesellschaftlichen Entwicklung handelt, der zurückgeblieben ist und in politischer, ideologischer, sozialer, pädagogischer, kultureller und materieller Hinsicht einen Nachholebedarf aufweist.“
Dabei werden auch teils gravierende Mängel im Durchgangsheim Erfurt erfasst, wie Zitate aus dem Kontrollbericht belegen:
„Bei dem Heim handelt es sich um eine geschlossene Einrichtung mit vergitterten Fenstern und ständig verschlossenen Haus- und Zimmertüren.“
„Die Isolierzimmer haben als Lichtquelle mit Glasziegeln vermauerte Fenster, so daß eine direkte Belüftung nicht möglich ist.“
„Bei Ausbruch eines Brandes gibt es keine Möglichkeit, die Kinder schnellstens und gefahrlos aus der Einrichtung zu bringen.“
Weitere Passagen des Berichts charakterisieren unhaltbare Zustände, zum Beispiel die Aufenthaltsdauer von mehreren Monaten und der dadurch bedingte völlig unzureichende Schulunterricht. Mangelhafte gesundheitliche Versorgung, schlechte Ernährung aufgrund unqualifizierter Küchenkräfte und der achtlose Umgang mit dem Eigentum der Eingewiesenen sind weitere Kritikpunkte:
„in mind. 75 Fällen [ist] die Abgabe und in weiteren 20 Fällen die Rückgabe persönlicher Gegenstände und Mittel der Heimkinder nicht quittiert worden. Dabei handelt es sich u.a. um 2 Sparbücher, Bargeld, 3 Radios, 8 Uhren, Schmuck u.a.“
„Am 29.01.1973 kam es zu einem Massenausbruch von 15 Jugendlichen. Auf Grund dieses Vorkommnisses wurden durch die Volkspolizei entsprechende Sicherungsmaßnahmen vorgeschlagen und angeregt.“
Die Erziehungsmethoden und die geschlossene Unterbringung im Durchgangsheim Erfurt wird von Arbeiter- und Bauerinspektion hingegen nicht in Frage gestellt.
Quellen
HEIM-STADT Erfurt
Telefonbücher aus den 1950er und 1960er Jahren weisen eine Fülle an Kinderheimen in Erfurt aus. Der Zeit entsprechend waren es vor allem Waisenheime, die sich zum großen Teil in Trägerschaft der beiden christlichen Kirchen befanden. 1947 und 1948 werden ein katholisches Waisenhaus in der Regierungsstraße 44 und ein Evangelisches Waisenhaus in der Comthurgasse 8 genannt. Hinzukommen Mädchenheime, ein Mütter- und Kinderheim und ein Säuglingsheim. Ein weiteres Kinderheim findet sich unter der Adresse Cyriaksburg.
Das Telefonbuch von 1954 weist noch elf konfessionelle Heime aus. Hinzu kommen fünf städtische Heime. Darunter befindet sich auch ein Kinderheim in der Winzerstraße 21. Unter dieser Adresse wurde später das Durchgangsheim des Rates des Bezirkes Erfurt eingerichtet. Die gleichen städtischen Heime finden sich auch 1961, hinzu gekommen sind ein Kinderwochenheim und drei Wochenkrippen.
BLACKBOX HEIMERZIEHUNG in Gera
Nach dem Kinder- und Jugendhilfetag in Leipzig ist die Wanderausstellung BLACKBOX HEIMERZIEHUNG ab dem 19. Mai wieder in Gera zu sehen. Bis zum 24. Juni 2025 steht der Ausstellungscontainer vor dem Theater Altenburg Gera.
🕙 Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 10–18 Uhr
Samstag: 10–17 Uhr
Eintritt frei
Film & Podium am 4. Juni: „Verlorene Zeit“
Wir laden herzlich ein zur begleitenden Veranstaltung:
📅 Dienstag, 4. Juni 2025, 18 Uhr
📍 Chorsaal des Theaters Altenburg Gera
Zum Auftakt: ein 15-minütiger Film über die repressiven Bedingungen der DDR-Heimerziehung und die persönlichen Erfahrungen einer Frau, die als Jugendliche im Durchgangsheim Schmiedefeld Isolation und Gewalt erlebte.
Anschließend: Gespräch mit Expert:innen, die seit Jahren mit Betroffenen arbeiten. Thema ist die Aufarbeitung von DDR-Heimerziehung in Thüringen.
Die Veranstaltung richtet sich ausdrücklich auch an Betroffene, die wir besonders herzlich willkommen heißen.
Das Jugendwohn- und Durchgangsheim „Ernst Thälmann“ in Gera
„Als ich 1978 ins kleine Durchgangsheim in Gera kam, war auch dies geschlossen, ein sehr kleines Gebäude. Alle Kinder waren dort in zwei Räumen untergebracht und standen unter ständiger Beobachtung durch Sehschlitze in der Tür. Es gab kein Tageslicht, nur Glasbausteine und da waren auch zwei Arrestzellen.“
1949 wird das Durchgangsheim Gera in einem alten Patrizierhaus in der Greizer Straße 23 eröffnet. Zuvor war das Haus ein Waisenhaus.
In den 1950er Jahren werden aufgegriffene Kinder und Jugendliche aus den Kreisen Jena, Stadtroda, Rudolstadt und Eisenberg in das Durchgangsheim gebracht, wenn die Behörden eine Gefährdung vermuten. In einigen Dokumenten wird das Heim als „Auffanglager Greizerstraße“ oder „Durchgangslager Gera“ bezeichnet.
Das Durchgangsheim in der Greizer Straße 23, Gebäude um 1980.
Der Zustand der Einrichtung ist zu dieser Zeit desolat: defekte Türen und Fenster, unhygienische Waschräume, Überbelegung; all diese Mängel sollen behoben werden. Trotz der hohen Auslastung ist in einem Teil des Gebäudes ein Lehrlingswohnheim geplant.
1953 investiert der Bezirk im Rahmen einer „Schandfleckaktion“ 20.000 DM in die Sanierung. Im Heim wird ein neuer „Kulturraum“ geschaffen. Zusätzliche Möbel, Gardinen und Tischdecken werden angeschafft, um die Räume wohnlicher zu gestalten. Einige Arbeiten übernehmen die Jugendwerkhöfe (JWH) im Bezirk: Jugendliche aus dem JWH Bad Köstritz führen Maurerarbeiten aus, Bad Klosterlausnitz übernimmt Zimmererarbeiten, Hummelshain liefert neue Möbel.
Die Wohnsituation bleibt trotz aller Bemühungen problematisch. Deshalb wird das Heim 1961 auf Drängen der Leitung verlegt. Das Jugendwohn- und Durchgangsheim „Ernst-Thälmann“ zieht in das Gebäude einer ehemaligen Fabrikantenvilla in der Wilhelm-Pieck-Straße 138 um (heute Berliner Straße).
Die Villa wird zweigeteilt genutzt: Im Haupthaus werden „Waisen und pädagogisch vernachlässigte“ Jugendliche betreut; im Seitenflügel und der Remise befindet sich vermutlich das Durchgangsheim – die Fenster sind vergittert, die Räumlichkeiten beengt. Die Abläufe in beiden Einrichtungen werden voneinander getrennt.
Es gibt keine durchgängigen Belegungszahlen für die Einrichtung, aber das Durchgangsheim hatte Mitte der 1960er Jahre etwa 30 Plätze. Im Jugendwohnheim lebten ständig über 70 Jugendliche. Für die 1970er Jahre werden insgesamt 112 Plätze angegeben, 80 davon für das Jugendwohnheim und 32 für das Durchgangsheim. Jährlich durchlaufen 700 bis 800 Jugendliche die Einrichtung.
Auch nach dem Mauerfall wird die Villa als Heimeinrichtung genutzt. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten im Jahr 1998 leben nur noch 28 Jugendliche in der Einrichtung.
Träger des heutigen Jugendwohnheims in der Villa Berliner Straße 138 ist der Internationale Bund (IB).