Zeitzeugen gesucht

Zeitzeugen gesucht

Werden Sie Teil von Blackbox Heimerziehung und teilen Sie Ihre Geschichte

Zeitzeugen gesucht

Unter den Heimkindern hieß das Durchgangsheim in Demmin „Klein-Torgau“, in Anspielung auf den Geschlossenen Jugendwerkhof, so schlimm waren die Lebensbedingungen in dem Heim. Es bestand bis zum 1. September 1987 und verfügte über etwa 35 Plätze für Mädchen und Jungen vom Vorschul- bis zum Jugendalter. Wie es gängige Praxis in den Durchgangsheimen war, mussten auch hier viele Kinder und Jugendliche länger als die rechtlich erlaubten 18 Tage bleiben. In keinem Fall lag dafür die notwendige Sondergenehmigung vor. 

Teile der Gebäude waren mit Mauern und Stacheldraht umgeben, die Fenster waren vergittert. Das Heim verfügte über drei sogenannte Isolierzellen. Es herrschte ein militärähnliches Regime, außerdem maßregelten sich die Heimkinder unter den Augen der Erzieher selbst, wie es im Konzept der Kollektiverziehung vorgesehen war. Dazu gehörten Gewalttätigkeiten und körperliche Züchtigungen untereinander.

Nur die Jugendlichen erhielten einmal in der Woche Unterricht, die Kinder wurden gar nicht unterrichtet. Regelmäßig gab es jedoch politische Vorträge. Die älteren Jungen arbeiteten zum untersten Lohntarif in der LPG Demmin, die älteren Mädchen wurden im Heim beschäftigt, z. B. in der Wäscherei, der Näherei oder als Kindermädchen für die kleinen Kinder. 



Auch das Durchgangsheim in Alt-Stralau bei Berlin war nicht mehr als eine gefängnisartige Aufbewahrstelle. Obwohl das Gesetz es nicht zuließ, waren die Kinder und Jugendlichen oft mehrere Monate, manche bis zu einem halben Jahr, in Alt-Stralau untergebracht. Der Alltag war monoton. Die Erzieher setzten Prügel und Strafen ein, wenn die Heimkinder sich widersetzten oder die Arbeitsleistung als ungenügend angesehen wurde. Auch Kinder unter 14 Jahren mussten arbeiten.

Mitte der 1980er Jahre protestierte ein Erzieher gegen die Zustände in dem Durchgangsheim. Er richtete eine Eingabe an den Magistrat von Berlin. Darin berichtete er von Gewalttaten an den Heimkindern, von dem unmäßigen Alkoholkonsum der Erzieher und von der häufig verhängten Isolationsstrafe. Er wurde daraufhin entlassen.

In dem Gebäude des ehemaligen Durchgangsheims ist heute eine Grundschule untergebracht. Nach einem mehrjährigen Diskussionsprozess erinnert seit 2016 eine Gedenktafel an das DDR-Heim und informiert über dessen Geschichte.

“Elf 99: Nach Hause – Durchgangsheim Alt-Stralau”

Zeitzeugen gesucht