BLACKBOX HEIMERZIEHUNG in Weimar
Vom 15. Oktober bis 11. November 2024 ist die BLACKBOX HEIMERZIEHUNG auf dem Stéphane-Hessel-Platz in Weimar zu sehen
Öffnungszeiten:
Ausstellungsort:
Stéphane-Hessel-Platz, 99423 Weimar
Geschichte
Im Raum Thüringen gibt es vor 1961 insgesamt sechs Jugendwerkhöfe, nach dem Mauerbau steigt ihre Zahl auf neun an. 1989 gibt es in der DDR 32 Jugendwerkhöfe, davon sieben im Raum Thüringen. Hinzu kommen über 100 Normalheime und Spezialkinderheime sowie mindestens drei Durchgangsheime in den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl. Auch in Kraftsdorf und in Eisenach werden Durchgangsheime vermutet. Die Aufarbeitung steht vielerorts noch am Anfang.
DURCHGANGSHEIM
Erfurt
1963 wird in Erfurt in der Winzergasse 21 ein Durchgangsheim eingerichtet. In den Durchgangsheimen der DDR werden Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren untergebracht, bis über ihren weiteren Lebensweg entschieden wird. Darunter befinden sich Minderjährige, die von zu Hause weggelaufen oder aus einem Heim geflohen sind, die aufgrund einer Gefährdungssituation nicht länger im Elternhaus verbleiben können oder für die ein Heimaufenthalt bereits beschlossen wurde, aber noch kein Heimplatz zur Verfügung steht.
Unhaltbare Zustände im Durchgangsheim Erfurt
1973/1974 findet im Bezirk Erfurt eine großangelegte Kontrolle aller 32 Kinder- und Jugendheime durch die Arbeiter- und Bauerninspektion statt, da es sich „um einen Abschnitt unserer gesellschaftlichen Entwicklung handelt, der zurückgeblieben ist und in politischer, ideologischer, sozialer, pädagogischer, kultureller und materieller Hinsicht einen Nachholebedarf aufweist.“
Dabei werden auch teils gravierende Mängel im Durchgangsheim Erfurt erfasst, wie Zitate aus dem Kontrollbericht belegen:
„Bei dem Heim handelt es sich um eine geschlossene Einrichtung mit vergitterten Fenstern und ständig verschlossenen Haus- und Zimmertüren.“
„Die Isolierzimmer haben als Lichtquelle mit Glasziegeln vermauerte Fenster, so daß eine direkte Belüftung nicht möglich ist.“
„Bei Ausbruch eines Brandes gibt es keine Möglichkeit, die Kinder schnellstens und gefahrlos aus der Einrichtung zu bringen.“
Weitere Passagen des Berichts charakterisieren unhaltbare Zustände, zum Beispiel die Aufenthaltsdauer von mehreren Monaten und der dadurch bedingte völlig unzureichende Schulunterricht. Mangelhafte gesundheitliche Versorgung, schlechte Ernährung aufgrund unqualifizierter Küchenkräfte und der achtlose Umgang mit dem Eigentum der Eingewiesenen sind weitere Kritikpunkte:
„in mind. 75 Fällen [ist] die Abgabe und in weiteren 20 Fällen die Rückgabe persönlicher Gegenstände und Mittel der Heimkinder nicht quittiert worden. Dabei handelt es sich u.a. um 2 Sparbücher, Bargeld, 3 Radios, 8 Uhren, Schmuck u.a.“
„Am 29.01.1973 kam es zu einem Massenausbruch von 15 Jugendlichen. Auf Grund dieses Vorkommnisses wurden durch die Volkspolizei entsprechende Sicherungsmaßnahmen vorgeschlagen und angeregt.“
Die Erziehungsmethoden und die geschlossene Unterbringung im Durchgangsheim Erfurt wird von Arbeiter- und Bauerinspektion hingegen nicht in Frage gestellt.