Zeitzeugen gesucht

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Rehabilitierung

Betroffene, die als Kinder und Jugendliche in einem DDR-Heim untergebracht waren, können ihre Rehabilitierung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) beantragen. Sind sie damit erfolgreich, dann wird die Anordnung ihres Heimaufenthalts aufgehoben und als rechtsstaatswidrig erklärt. In der Folge stehen ihnen soziale Ausgleichsleistungen zu. Dazu gehören beispielsweise die Haftentschädigung, die monatliche Opferrente – bei einem Heimaufenthalt von mehr als einem halben Jahr – oder die Beschädigtenversorgung.
Derzeit gibt es zur strafrechtlichen Rehabilitierung der ehemaligen DDR-Heimkinder jedoch noch keine einheitliche und abgeschlossene Rechtsprechung. Vom Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau abgesehen, konnten die Betroffenen bisher nur in Ausnahmefällen eine strafrechtliche Rehabilitierung tatsächlich erkämpfen. Neben der strafrechtlichen Rehabilitierung bestehen die Möglichkeiten der verwaltungsrechtlichen und der beruflichen Rehabilitierung.
Bei der strafrechtlichen Rehabilitierung ist insbesondere die Frage umstritten, ob die repressiven Erziehungsmethoden in den Heimen bei der gerichtlichen Entscheidung eine Rolle spielen sollen. Die Gerichte haben sie in der Regel bei ihrer Urteilsfindung nicht berücksichtigt.
Die weitaus meisten Anträge der Betroffenen auf Rehabilitierung ihrer Heimeinweisung haben die Gerichte bisher abgewiesen. Zwar gilt nach einer Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes 2010 jede Unterbringung in einem DDR-Heim als Freiheitsentziehung. Dennoch stufen die Gerichte die Heimeinweisung nur in ganz bestimmten Fällen als rechtsstaatswidrig ein. Erkennen sie nicht an, dass die Heimeinweisung „mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar“ war, wie es in Paragraf 1 des Gesetzes gefordert ist, dann ist die Voraussetzung für eine Rehabilitierung nicht gegeben.
Die Einweisung in ein Spezialheim gilt nach dem Gesetz dann als rechtsstaatswidrig, wenn 1.) es sich um politische Verfolgung handelte, wenn 2.) zwischen dem Anlass und den Folgen der Einweisung ein grobes Missverhältnis bestand, wenn 3.) der Heimaufenthalt aus sachfremden Zwecken erfolgte oder wenn 4.) die Einweisung aus anderen Gründen nicht mit der freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung vereinbar ist.
Wurde ein Jugendlicher in einem Spezialheim untergebracht, nachdem er versucht hatte, die DDR zu verlassen, dann gilt dies bei Gericht zum Beispiel als politische Verfolgung. Erfolgte die Heimeinweisung jedoch, weil die Eltern aus politischen Gründen in Haft geraten waren, dann wird dies bisher in der Frage der Rehabilitierung der Heimeinweisung nicht als politische Verfolgung gewertet. In dieser Frage soll das Rehabilitierungsgesetz in Kürze zugunsten der ehemaligen Heimkinder geändert werden. Als ein sachfremder Zweck gilt die Feststellung, dass die Einweisung nicht der Fürsorge und dem Kindeswohl diente, sondern einem anderen Ziel, beispielsweise ausschließlich der Disziplinierung. Gerade bei der Anerkennung von sachfremden Gründen sind die Gerichte aber zögerlich.
Vor allem haben es die Gerichte bisher abgelehnt, die Lebensbedingungen und die Erziehungsmethoden in den Spezialheimen als Entscheidungsgrundlage einzubeziehen. Zwar gehen sie davon aus, dass die Menschenwürde der Kinder und Jugendlichen in vielen DDR-Spezialheimen „massiv verletzt“ wurde, wie es das Oberlandesgericht Jena 2010 formulierte.
Für ihre Entscheidung über die Rehabilitierung beziehen sie sich bisher jedoch allein auf den Vorgang der Einweisung. Ob die Jugendlichen anschließend unter repressiven Bedingungen in dem Heim lebten, spielt für ihre Urteilsfindung keine Rolle.
An diesem Standpunkt der Gerichte entzündet sich Kritik. Ebenso wird kritisiert, dass die Gerichte sich in der Regel auf die Akten der DDR-Jugendhilfe verlassen und keine weiteren Recherchen anstellen. So ziehen die Richter nur selten Gutachter heran und befragen kaum einmal Zeugen. Auch die Antragsteller selbst werden nur in Ausnahmefällen angehört. In den Akten sind bestimmte, für die Frage der Rehabilitierung wesentliche Tatsachen jedoch häufig nicht ersichtlich, weil die DDR-Jugendhilfe sie verschleierte.
Von der geschilderten Sichtweise ist ein Gericht im Jahr 2012 allerdings erstmals abgewichen. Das Oberlandesgericht Brandenburg spach die Rehabilitierung eines Betroffenen aus, der als 13-Jähriger für zwei Jahre im Spezialkinderheim Pritzhagen untergebracht wurde. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass ein grobes Missverhältnis zwischen dem Anlass und den Folgen des Heimaufenthaltes nur dann festgestellt werden könne, wenn auch die Lebensbedingungen in dem Heim berücksichtigt würden. In dem betreffenden Fall hätten die angeordnete Einweisung in das Spezialkinderheim und die gefängnisartigen Lebensbedingungen dort in keinem Verhältnis zu den festgestellten Erziehungsschwierigkeiten des Kindes gestanden. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg auf die kommenden Urteile auswirkt.
Im Fall des Geschlossenen Jugendwerkhofs Torgau steht für die Gerichte seit dem Jahr 2004 fest, dass die Einweisung nach Torgau immer schwerwiegende Verletzungen der Menschenwürde für die Betroffenen mit sich brachte. Deshalb stellen die Richter stets ein grobes Missverhältnis zwischen dem Verhalten des Jugendlichen einerseits und der Einweisung nach Torgau und deren Folgen andererseits fest. Die Rehabilitierung wird deshalb ohne Prüfung des Einzelfalls ausgesprochen.

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