Zeitzeugen gesucht

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Zeitzeugen gesucht

Anke K.

„ich muss jetzt weg hier“
„als ich ein ganz kleines Kind war, hat meine Mutter mich schon geschlagen“
Geboren 1961 in einem kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern. Der Vater NVA-Offizier, die Mutter als zivile Arbeiterin ebenfalls in der Kaserne tätig, wächst Anke gemeinsam mit einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester in scheinbar geordneten Verhältnissen auf. Der Familienalltag war geprägt von militärischen Tugenden wie Disziplin, Ordnung und Gehorsam.
Schikaniert und geschlagen von der eigenen Mutter, erkennt Anke früh, dass sie nicht geliebt wird. Sie fühlt sich im Stich gelassen.
Die Schuld an der zerrütteten Situation redet sie sich selbst ein. Als Anke elf Jahre alt ist, entdeckt ihr Sportlehrer blaue Flecke an ihr. Daraufhin informiert er das Jugendamt.
Das Gefühl nicht geliebt zu werden und die Angst vor der Mutter lassen Anke von zuhause fliehen. Frühzeitig sucht sie den nötigen Halt bei Freunden und deren Familien.
„das war eine Welt, die war mir zuvor nicht zugänglich“
1974 lernt die 13-Jährige während der Ueckermünder Haffwoche einige Studenten aus Schleiz kennen. Sofort ist sie von den Gesprächen, der Lebensart, und dem respektvollen Umgang miteinander fasziniert. Zunehmend beginnt in ihr eine oppositionelle Haltung zum politischen System der DDR zu reifen.
Ein Jahr später wird Anke wegen ständiger „Herumtreiberei“ in Handschellen von zuhause abgeholt und in das Durchgangsheim Demmin gebracht.
Es gleicht einer Haftanstalt. Ihre erste Strafe erhält sie, weil sie während der Reinigungsarbeiten „Die Großen Acht“ auf Radio Luxemburg, einem westlichen Sender hört. Drei Tage Arrest. Sie empfindet die Bestrafung als unverhältnismäßig. Von nun an lässt sie sich nichts mehr gefallen. Es folgen viele Tage im Arrest. Aufgrund ihres „Fehlverhaltens“ darf sie die Schule nicht mehr besuchen. Stattdessen arbeitet sie in der Waschküche des Durchgangsheims. Insgesamt ist sie drei Monate in Demmin.

„das war die erste Station… mit Mauer drumherum und oben Stacheldraht drauf“

„ich habe einmal versucht, mir das Leben zu nehmen“

Ende 1975 wird Anke in den Jugendwerkhof Olgashof eingewiesen. In den nächsten vier Jahren sind es nur die Orte die wechseln. Die Erfahrungen aus Demmin bleiben. Ob in Olgashof oder später in Torgau, der raue und haftähnliche Alltag ändert sich nicht. Ständiger Zwang, das viele Arbeiten und der übermäßige Sport, dazu die politische Indoktrination, fordern ihren Tribut. Anke stößt an ihre Grenzen.
1979 wird Anke mit 18 Jahren aus der Heimerziehung zu ihren Eltern entlassen. Sie bekommt keine eigene Wohnung und zunächst auch keine Arbeit. Eine Bekannte der Mutter beschafft ihr einen neuen Sozialversicherungsausweis, da sie mit den vielen Stempeln der Jugendwerkhöfe im Ausweis keine Chance gehabt hätte, eine vernünftige Stelle zu finden. Sie arbeitet für ein halbes Jahr in einer Firma für Heizgeräte, dann wechselt sie in eine HO-Gaststätte und arbeitet dort als Kellnerin.
Im Oktober desselben Jahres lernt sie ihren ersten Mann kennen, den sie Anfang der 1980er Jahre heiratet. Kurze Zeit später folgt der gemeinsame Hausbau. Anke beginnt im Dienstleistungskombinat als Leiterin der Reparatur-Annahmestelle zu arbeiten. 1988 wird die Ehe geschieden. Die Trennung ist für Anke schwierig, da sie zusätzlich auch dem Gerede in der Heimatstadt ausgesetzt ist. Sie kündigt ihren Job und arbeitet wieder als Kellnerin in der Gastronomie. Bereits im Laufe der 1980er Jahre baut sie über ihren damaligen Mann die eigenen Kontakte nach Berlin aus. Sie verfolgt die politischen Vorgänge, wird CDU-Mitglied, und entwickelt das Bedürfnis, andere zu informieren und sich zu engagieren.
Während der Friedlichen Revolution hat sie Kontakte zum Neuen Forum und beginnt mit einer Kollegin gemeinsam am Heimatort, Informationsblätter zu schreiben und zu verteilen. Sie rufen zu einer Demonstration auf. Später lernt sie ihren jetzigen Mann kennen. Mit ihm ist sie bis heute glücklich verheiratet. Sie leben gemeinsam im Heimatort von Anke.
„und das war echt die Hölle für mich“

Anke kurz vor der Heimeinweisung im Jahr 1975.

Zwei Jahre nach der Heimentlassung heiratet Anke 1981 ihren ersten Ehemann.

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