Zeitzeugen gesucht

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Spezialkinderheim Eilenburg

Auf dem Gelände in der Rödgener Landstraße in Eilenburg bestand bereits seit den 1950er Jahren ein Ensemble mehrerer Heime. Darunter befanden sich das Spezialkinderheim „Ernst Schneller“, das 1953 eingerichtet wurde, und ab 1954 ein dazugehöriger Jugendwerkhof. Mit einer kurzen Unterbrechung in den Jahren 1964/65 wurde das Spezialkinderheim bis 1990 genutzt.
Ein weiteres Spezialkinderheim in Eilenburg namens „Ernst Thälmann“ lag in der Halleschen Straße und war für die damals so genannten „Hilfsschüler“ vorgesehen.
Der Gebäudekomplex in der Rödgener Landstraße wurde als Landeserziehungsheim für gefährdete schulentlassene Mädchen von 1926 bis 1928 gebaut und bis 1935 auch als solches genutzt. Von 1935 bis 1945 fand es zudem auch als Reserve-Lazarett, Seniorenheim und Lehrerseminar Anwendung. Ab 1945 diente der Gebäudekomplex teilweise als Krankenhaus.
1947 übernahm Kurt Domann das Heim, unter dessen Leitung dieses zu einem Landesaufnahme- und Beobachtungsheim für 100 Kinder und 90 schulentlassene Mädchen wurde. 1949 erhielt das Heim den Namen „Ernst Schneller“.

Am 01.01. 1953 wird das Eilenburger Heim in das Spezialkinderheim mit 210 Plätzen für „schwer erziehbare“ Kinder und Jugendliche sowie in das Jugendwohnheim für 40 schulentlassene Mädchen »Ernst-Schneller« umgewandelt. Auch hier orientierte sich die Erziehungspraxis am Leitbild der Arbeits- und Kollektiverziehung des sowjetischen Pädagogen A.S. Makarenko.

 

Mit der Anordnung über die Spezialheime der Jugendhilfe im Mai 1964 erfolgte eine Neustrukturierung der Heimtypen für »schwererziehbare« Kinder und Jugendliche. Das Ernst-Schneller-Heim wird zentrales Aufnahmeheim der DDR-Jugendhilfe und war dem Volksbildungsministerium direkt unterstellt. Kinder und Jugendliche, die in Spezialheime eingewiesen wurden, sollten zunächst in Eilenburg diagnostiziert und von dort in geeignete Heime verlegt werden. Hier wurde allein nach Aktenlage entschieden, in welches Spezialheim die Kinder und Jugendlichen vermittelt werden sollten. Nur wenn es um die Einweisung in ein Sonderheim ging, kam ein Kind tatsächlich sechs Wochen lang zur Begutachtung in das zentrale Aufnahmeheim in Eilenburg. Bereits nach kurzer Zeit wurde die Arbeit des zentralen Aufnahmeheims wieder eingestellt, da Nutzen und Aufwand unverhältnismäßig schienen. Danach fungierte das Heim wieder als reguläres Spezialkinderheim mit Jugendwerkhofteil in Trägerschaft des Bezirkes Leipzig. Auf dem Heimgelände blieb ein stark verkleinertes Aufnahmeheim zurück. 

 

In den 1960er Jahren verfügte das Spezialkinderheim „Ernst Schneller“ über eine Kapazität von etwa 170 Plätzen für Jungen und Mädchen. Der Tagesablauf war für die Kinder und Jugendlichen in diesen Jahren im 10-Minuten-Takt durchgeplant. Zudem herrschten militärische Umgangsformen und das Personal sprach im Kommandoton mit den jungen Menschen.
Die Räumlichkeiten des Heims waren zu klein für die angedachte Platzzahl, weshalb die Kinder in überbelegten Zimmern wohnten. Zudem war der bauliche Zustand des Heims katastrophal: Ende der 1970er Jahre standen für eine Gruppe von 36 Kindern nur zwei Waschbecken zur Verfügung. Die Kleiderschränke befanden sich in den feuchten Kellerräumen.

 

In den 1970er Jahren hab es eine Kooperation mit dem Eilenburger Getränkewerk »Neue Welt«. Die 16- bis 18-jährigen Mädchen des „Ernst Schneller“ Heims arbeiten im Rahmen der „Arbeitserziehung“ in Schichtdiensten im Getränkewerk. Nach den Protesten gegen die Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten im Getränkewerk, wurden diese 1979 angepasst. Zwischen Heim und Werk gab es stetige Auseinandersetzungen über Status und Vergütung der jungen Frauen.

Während das Heim auf dem Lehrlingsstatus bestand, sah das Werk in den Jugendlichen vollumfängliche Arbeitskräfte und entlohnte diese entsprechend. Allerdings erhielten die jungen Frauen vom Heim nur das Lehrlingsgeld. Ab 1981 wurden regelmäßig 36 junge Frauen des Werkhofs im Getränkewerk beschäftigt.

 

Zu den alltäglichen Lebensbedingungen der Kinder in dem Spezialkinderheim gehörte es unter anderem, dass der Arrest oft länger als 14 Tage dauerte. Urlaubs- und Ausgangssperren wurden willkürlich verhängt und die Post wurde kontrolliert.  Es kam oft zu Fluchtversuchen. Die „entwichenen“ Kinder und Jugendlichen hatten nach ihrer Rückbringung mit Druck und Gewalt seitens der Gruppe zu rechnen, da diese als Kollektiv bestraft wurde. Ein persönlicher Arbeitsplan, die Stellungnahme in der Gruppenstunde, zusätzliche Funktionsübertragungen und Patenschaft durch ein anderes Gruppenmitglied stellten offizielle Strafen dar. Bei mehrmaliger Flucht drohte eine Einweisung in den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau. Von Eilenburg wurden 161 Jugendliche in den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau eingewiesen.

 

 

 

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